Viele Reiter halten tägliches Reiten für selbstverständlich oder denken sogar, dass es schlecht für das Pferd ist, wenn es nicht täglich geritten wird.
Gegen tägliche Bewegung ist überhaupt nichts einzuwenden, im Gegenteil: sie ist eines der wichtigsten Bedürfnisse eines Pferdes. Besonders bei Pferden, die in Boxen gehalten werden, sollte man darauf achten, dass sie täglich bewegt werden und genug Auslauf bekommen. Pferde in der freien Natur bewegen sich im Schritt zwischen 20 und 30 km am Tag, Pferde auf der Weide immerhin noch 6-11 km.
Ausreichend bewegen heißt nicht, dass wir unsere Pferde entsprechend viel reiten sollten. Denn selbst wenn ein Sattel gut passt, ist das Gewebe unter dem Sattel während des Reitens einem hohen Druck ausgesetzt, es wird komprimiert. Einer der drei osteopathischen Leitsätze lautet: Kompression ist der größte Schadensmechanismus für den Körper.
Während die meisten Strukturen wie Knochen, Muskeln, Bänder und Sehnen sowie Gelenkbeweglichkeit trainierbar sind, ist die Kompressionsfähigkeit des Gewebes nicht trainierbar, das Gewebe passt sich der Belastung nicht an. Wenn wir das Pferd reiten oder es mit Longiergurt longieren (immer, wenn über einen Zeitraum physischer Druck auf dem Pferdekörper lastet), passiert in der Sattellage Folgendes:
Die Proteoglykane, die sich im Fasziengewebe befinden und Wasser binden, werden zerstört. Das kann man sich wie das Ausdrücken eines Schwamms vorstellen. Um die Proteoglykane wieder aufzubauen, benötigt der Pferdekörper je nach Belastungsgrad zwischen zwei und zehn Tagen. Wird wieder Druck auf die Sattellage ausgeübt, bevor der „Puffer“ wiederhergestellt wird, führt dies zu einer Verklebung der Faszien.
Wir haben die Rückenlage eines Pferdes vor und nach dem Reiten fotografiert, um den direkten Vergleich zu haben. Obwohl der Sattel passt und richtig aufliegt, sieht man schon nach 3 Minuten Reiten im leichten Sitz einen deutlichen Unterschied.
Foto 1: Sattellage vor dem Reiten
Foto 2: Sattellage nach dem Reiten
Eine anhaltende Kompression ohne ausreichende Erholungsphasen kann folgende Wirkungen haben:
das Pferd kann den Rücken nicht mehr aufwölben
die Beeinträchtigung der Rückenlendenbinde (das ist die verklebte Faszie in der Sattellage) hat negative Folgen für den Rumpftrageapparat (→ Stöße werden vermehrt vom Fesselgelenk aufgefangen)
das Becken wird durch die verklebte Faszie und verspannte Muskulatur schief gezogen (Beckenschiefstand)
da alle Faszien im Körper wie ein riesiges Netz miteinander verbunden sind, zieht sich das Problem bis ins Hinterbein: das Hinterbein wird gerader und das Spatrisiko (entstehend aus einer Knochenhautentzündung im Sprunggelenk) steigt
als Spätfolge entstehen ein Senkrücken und im Extremfall die Erkrankung Kissing Spines
Je nach Alter des Pferdes sollte man nur alle 2-3 Tage reiten. Außerdem kann man den Erholungsprozess beschleunigen, indem man nach dem Reiten die Sattellage abreibt und massiert. Während der restlichen Tage bietet es sich an, das Pferd ohne Longiergurt zu longieren, spazieren zu gehen, Bodenarbeit, Horsemanship und Weiteres, wofür man keinen Sattel oder Gurt benötigt, zu machen. Das alles stellt einen sehr guten Ausgleich dar und ist für Pferd und Mensch eine willkommene Abwechslung.
Viel Spaß beim Training mit euren Pferden wünscht euch
Dorothee
Comments